Ein gegenseitiges Näherbaurecht kann mit dem öffentlich-rechtlich einzuhaltenden Gebäudeabstand kollidieren.
ln der Lehre wird für die Auflösung der aus dem Widerspruch zwischen dem (gegenseitigen) Näherbaurecht und baurechtlichen Gebäudeabstandsvorschriften entstehenden Kollision der gegenseitigen Rechte und Pflichten die Ansicht vertreten, es profitiere der Erstbauende vom Abstandsprivileg und müsse der Zweitbauende weiter von der Grenze abrücken. Insofern präjudiziere der Erstbauende die baulichen Möglichkeiten des Zweitbauenden, weil er nicht nur Dienstbarkeitsbelasteter, sondern gleichzeitig auch Dienstbarkeitsberechtigter ist und somit ein ihm von der Gegenpartei eingeräumtes Recht ausübe. Dieser Sichtweise ist zu folgen.
Ergibt sich weder aus dem Vertragstext selber noch aus den weiteren (objektiv erkennbaren) massgeblichen Umständen, dass die Vertragsparteien mit der Einräumung eines gegenseitigen Näherbaurechts eine Abrückungspflicht in dem Sinne vorgesehen haben, dass beide gleichermassen vom gegenseitig eingeräumten Näherbaurecht profitieren können, darf der Erstbauende von seinem Recht Gebrauch machen und kann der nichtbauende Dienstbarkeitsbelastete und -berechtigte die Realisierung der Baute nicht mit dem Argument verhindern, ihm sei wegen öffentlich-rechtlichen Gebäudeabstandsvorschriften die Nutzbarmachung "seines" Näherbaurechts verwehrt.