Jeder Erbe, der die Befugnis hat, die Erbschaft auszuschlagen, ist berechtigt, innert Monatsfrist bei der zuständigen Behörde ein öffentliches Inventar zu verlangen (Art. 580 ZGB). Das Inventar besteht in der Anlegung eines Verzeichnisses der Vermögenswerte und Schulden der Erbschaft, wobei alle Inventarstücke mit einer Schätzung zu versehen sind (Art. 581 Abs. 1 ZGB).
Das öffentliche Inventar erfüllt im Kern zwei Funktionen: Zum einen bezweckt es die Information der Erben über die Aktiven und Passiven der Erbschaft und soll ihnen insofern als Grundlage für ihren Entscheid über die Annahme oder die Ausschlagung der Erbschaft dienen. In dieser Hinsicht hat es informativen und deklaratorischen Charakter. Über den materiellen Bestand und die Höhe der Erbschaftsaktiva und -passiva wird nicht im Rahmen des Inventarverfahrens entschieden, sondern gegebenenfalls in einem sich daran anschliessenden ordentlichen Zivilprozess.
Neben diesem deklaratorischen Informationszweck hat das öffentliche Inventar aber auch eine konstitutive Funktion. Es ermöglicht den Erben, die Erbschaft unter «öffentlichem Inventar» anzunehmen (Art. 588 Abs. 1 ZGB) und dadurch ihre Haftung für Erbschaftsschulden zu beschränken. Während es in diesem Fall auf der Aktivseite bei einer Gesamtrechtsnachfolge bleibt - d.h., es gehen alle (auch nicht inventarisierte) Aktiven auf sämtliche Erben über -, wird auf der Passivseite die in Art. 560 ZGB vorgesehene Universalsukzession für die unter öffentlichem Inventar annehmenden Erben durch die Haftungsordnung von Art. 589 f. ZGB ersetzt.