Grundsätzlich gilt, dass rechtmässig erstellte Bauten und Anlagen, die den geltenden Plänen oder Vorschriften widersprechen, gemäss § 68 BauG Besitzstandsschutz geniessen. Damit bezweckt die Besitzstandsgarantie den Schutz berechtigten Vertrauens in eine ursprünglich rechtmässige Nutzung, die im Laufe der Zeit durch Rechtsänderung rechtswidrig geworden ist. Grundvoraussetzung der Besitzstandsgarantie ist zunächst das Vorhandensein einer rechtmässig erstellten Baute oder Anlage. Dabei wird zwischen formeller und materieller Rechtmässigkeit unterschieden, wobei gemäss der bisherigen Praxis des Verwaltungsgerichts das Vorliegen der formellen oder der materiellen Rechtmässigkeit genügt, um von der Besitzstandsgarantie nach § 68 BauG zu profitieren.

Die Besitzstandsgarantie greift weiter nur in denjenigen Fällen, in denen eine Baute durch Änderung von Plänen oder Vorschriften, also durch eine Rechtsänderung, rechtswidrig geworden ist.

Eine rechtswidrige Baute gilt nach dreissigjähriger behördlicher Tolerierung analog der ausserordentlichen Ersitzung des Eigentums an einem Grundstück gemäss Art. 662 ZGB als baurechtlich "ersessen". Das heisst, dass ausgehend vom durch die behördliche Duldung erweckten Vertrauensschutz das Recht der Behörden, ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren durchzuführen und bei fehlender Bewilligungsfähigkeit die Herstellung des rechtmässigen Zustands zu verlangen, vorbehältlich überwiegender polizeilicher Interessen verwirkt ist.

Eine solche, die Rechtstellung des Grundeigentümers wesentlich beeinflussende Änderung der Rechtslage liegt bei der baurechtlichen "Ersitzung" nicht vor. Entgegen der Auffassung des aargauischen Verwaltungsgerichts rechtfertigt dieser Unterschied zwischen rechtmässig und unrechtmässig erstellten Bauten und Anlagen daher weiterhin eine Ungleichbehandlung von besitzstandsgeschützten und "ersessenen" Bauten.

Daraus ergibt sich, dass "ersessene" Bauten ursprünglich rechtmässig erstellten und damit besitzstandsgeschützten Bauten nicht gleichgestellt sind. Ersitzung bedeutet lediglich, dass kein staatliches Beseitigungsrecht mehr besteht. Laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann jedoch ein über die Duldung des bestehenden Zustandes hinausgehender Anspruch aus der Ersitzung von rechtswidrigen Bauten nicht abgeleitet werden. Ersessene Bauten geniessen im Gegensatz zu ursprünglich rechtmässigen Bauten insbesondere auch keine Besitzstandsgarantie i. S. v. § 68 BauG. Sie dürfen nur im ersessenen Umfang genutzt, beibehalten und unterhalten werden; aus der Ersitzung ergibt sich jedoch kein Recht auf Erneuerung, Änderung, Erweiterung und Wiederaufbau.